
Am 16. August treffe ich mich mit Björn Redmann auf dem Balkon der Geschäftsräume des Jugendhilferechtsvereines in Dresden. Da seine Arbeit viel mit Beteiligung und Kinderrechten zu tun hat brauchen wir erstmal Zeit um uns informell auszutauschen. Der Fokus unseres Gespräches liegt bei den Anliegen junger Menschen die stationär untergebracht sind. Und wir haben ja konkrete Fragen und die Stelle ich Björn nun endlich:
„Welche Formen von Beteiligung kennst Du in Dresden?“
Ihm fallen spontan Angebote zur Jugendförderung ein, wie „Hoch vom Sofa“ und „Domino“.
„Strukturell verankert ist bisher der Stadtschüler_innenrat. Leider repräsentiert dieser aber nicht alle jungen Menschen in der Stadt. Kinder unter 6 Jahren und Kids die nicht zur Schule gehen (können) wie junge Geflüchtete sind dort nicht vertreten.“
Aus den Anfragen die Björn erhält weiß er, dass es Impulse in bestimmten Kontexten gibt Beteiligungsstrukturen einzubauen z.B. in den Jugendwerkstätten. In den stationären Jugendhilfeeinrichtung müssen zur Betriebsgenehmigung Beteiligungsstrukturen abgesichert und ein Beschwerdemanagement eingerichtet sein. Für die Einhaltung und Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen macht Björn sich zusammen mit ehrenamtlichen Kolleg_innen stark. Hierfür haben sie den Verein gegründet. Wenn ihr genauer wissen wollt, was eigentlich eine „Ombudsstelle“ macht, findet ihr Antworten unter: http://jugendhilferechtsverein.de/
„Was fehlt Dir in Dresden um eine aktive Beteiligungskultur lebbar zu machen?“
„Beteiligungsformen müssen in Lebenswelten vor Ort etabliert werden. Ich halte nix von den repräsentativen Formen. Die Hoffnungen die darin liegen, können nicht erfüllt werden, wenn sie nicht mit Mitteln unterstützt und begleitet werden. Wenn die bürokratischen Hürden zu hoch sind, etwas zu lange dauert z.B. die Reaktionen auf ihr Anliegen, dann springen die Kinder und Jugendlichen ab, dafür brauchen sie Unterstützung von Erwachsenen. Es braucht eine/n Kinderbeauftragten der personell und materiell gut ausgestattet ist und einen Beirat von Kindern und Jugendlichen leitet. Am besten wäre diese_r beim Stadtrat angesiedelt oder bei einem freien Träger. Ich weiß dass es günstig ist beim OB der Verwaltung aber diese ist oft zu befangen, daher sollte der Posten möglichst unabhängig sein.
Die Rolle der Kinderbeauftragten sollte auch die Funktion einer vermittelnden Ombudsstelle sein. Denn um alle Rechtsbereiche von Anliegen junger Menschen abzudecken bräuchte es wesentlich mehr zuständige, geschulte Fachkräfte. Aber als Informationsstelle – wer kann mir bei diesem und jenem Beistand geben – könnte es bei der Kinderbauftragten/ dem Kinderbeauftragtem angesiedelt sein.
Im stationären Bereich wünsche ich mir die Etablierung eines Dresdner oder sächsischen „Heimrates“. Oberhalb der Träger und Einrichtungsebene auch bei ambulanten Jugendhilfemaßnahmen. Die Kids als Experten ihrer Sache können dort gemeinsame Themen ansprechen.
Vorstellbar ist dies auch für Jugendwerkstätten, oder Berufsvorbereitende Maßnahmen. Der Beirat muss offen für alle sein die kommen wollen aber jede Einrichtung wählt Vertreter mit festem Sitz. Das meine ich mit themenbezogenem Kontext. Die Kids müssen in ihrer unmittelbaren Lebenswelt abgeholt werden und darin die Chance haben mitzugestalten.
Erwähnen möchte ich noch die „Careleaver“. Bereits mit 18 Jahren müssen Jungen und Mädchen i.d.R. die Jugendhilfe verlassen. Diejenigen die es besonders schwer hatten müssen dann sehr früh selbstständig sein. Das ist erstmal paradox. Denn sie haben erhebliche Probleme, die Jugendliche, die zu Hause wohnen, nicht haben. Mittlerweile haben sich in Deutschland und Österreich mehrere Interessenvertretungen unter dem Label „Careleaver“ (Jugendlichen, die die Hilfe verlassen – leaving Care) gegründet. Gerade sie haben eine weitreichende Expertise und auf sollten beteiligt werden an der Weiterentwicklung im HZE (Hilfe zur Erziehung) Bereich. So sieht z.B. der Arbeitsentwurf zur Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes vor, dass Care Leaver einen eigenen Sitz im Jugendhilfeausschuss bekommen. Das wird gerade auf Bundesebene diskutiert.
Versuchsweise könnte die Stadt Dresden in 5 Jahren z.B. 3 separate Bereiche auswählen, um darin Erfahrungen zu sammeln. Wenn dies gelingt könnte man das mal als Kinder- und Jugend Stadteilrunde versuchen. Also der räumliche gemeinsame Bezug als Ausgangslage nimmt.
Dafür müssen sich alle die in Dresden mit jungen Menschen zu tun haben fit machen können. Über große Konferenzen und kleine Workshops. Der Machtbezug als Sozialpädagog_in muss im und auch nach dem Studium reflektiert werden.
Jeder Träger könnte einen unabhängigen Kritiker gebrauchen, der fragt „ Warum machst du das so?“ Bei dem geringen zur Verfügung stehenden Budget sollten die notwendigen Angebote der Fortbildung kostenfrei sein. Zum Beispiel stehen Verwaltungsmitarbeitenden und ASD Fachkräften kaum Fortbildungskosten geschweige denn Mittel für Fachliteratur zur Verfügung. Das geht nicht; wie sollen sich die Kolleg_innen denn weiterbilden?“
Zur Erfüllung dieser Aufgaben eignet sich auch ein Kinder und Jugendbüro. Dies müsste aber zentral gelegen, gut sichtbar und präsent sein.
„All das umzusetzen hieße mit recht viel Kraft und Geld zu agieren. Dresden könnte seinen Innovationscharakter präsentieren und als Vorreiter für andere Städte dienen. Allerdings nicht nur zur Imagepflege, denn nach dem gefährlichen neoliberalitischen Prinzip „ Sei Deines eigenen Glückes Schmied“ könnten wir natürlich Beteiligung so organisieren, dass Erwachsene darin bestätigt werden dass Jugendliche Beteiligung nicht können. Damit dies nicht passiert, dafür braucht es ehrliches Interesse und personelle Ressourcen um die Begleitung der Jugendlichen zu organisieren.“
Vielen Dank Björn für das anregende Gespräch mit Dir!